Liebe Mitglieder der Partei Hans-Dietrich Genschers,
liebe Freunde,
Sie haben es aus den Medien erfahren, unser erst in Ilmenau erneut gewählter Landesvorsitzender hat die FDP verlassen. Die gemeinsamen Bilder ausgerechnet mit der früheren AfD-Chefin Frauke Petry ließen das erahnen, obwohl er diese Absicht auf konkrete Nachfrage da noch abstritt. Zur Erinnerung: Das ist die Frau, der selbst Lucke zu links war und die im AfD-internen Machtkampf ganz klar auf die Rechtsaußen-Kräfte der AfD setzte, bevor sie selbst über die dortigen Intrigen stolperte. Ebenfalls zur Erinnerung: Ihr Projekt einer Parteineugründung ist seinerzeit gescheitert, und der neuerliche Versuch erinnert daran ebenso wie an die Pleiten der Maaßen-Partei oder der in Schall und Rauch aufgelösten Bürger für Thüringen.
Liebe Freunde, bei aller Verärgerung über den schlechten Stil des Abtritts haben wir kein Nachtreten nötig. Thomas Kemmerich gehörte fast zwei Jahrzehnte der FDP an, und bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen und auch Einschätzung von Situationen danke ich ihm für die Arbeit, die er in der FDP geleistet hat, und wünsche seiner Familie sowie ihm selbst alles Gute. Wenn freilich ausgerechnet der ehemalige Landesvorsitzende gegen die FDP in Gänze wettert und medial von einem sinkenden Schiff schwafelt, will ich gar nicht darauf eingehen, wer einem alten Sprichwort nach mutmaßlich sinkende Schiffe zuerst verlässt. Thomas Kemmerich sollte aber nicht vergessen, wie viele engagierte Mitglieder ihn mit fleißiger, meist ehrenamtlicher Arbeit getragen haben.
Als langjähriger Abgeordneter im Deutschen Bundestag und im Thüringer Landtag, als Fraktionschef und Gruppensprecher im Landtag und mehrjähriges Mitglied des Bundesvorstands wie auch als Bundesvorsitzender des Liberalen Mittelstands saß er selbst an den Schaltstellen, liberale Politik besser zu machen. Da weinerlich auf andere zu verweisen, ist zu einfach.
Zugleich werbe ich dafür, jegliche Überlegungen und Emotionen, die sich gegen seine bisherigen Anhänger in der Thüringer FDP richten, beiseite zu lassen. Vielmehr sehe ich die Chance, jetzt Spaltungen und Gräben in unserem Landesverband zu überwinden, die Ärmel hochzukrempeln und gemeinsam nach vorne zu schauen.
Ich sehe die Chance, dass wir jüngeren Menschen eine Perspektive bieten können und dass wir als Partei auch weiblicher werden. Wenn es einer Partei nicht so gut geht, ist das der richtige Zeitpunkt nicht nur für neue Leute, sich einzubringen und den künftigen Kurs mitzubestimmen. Ich selbst bin zu einem Zeitpunkt in die FDP eingetreten, als niemand mehr in Thüringen, aber auch insgesamt einen Pfifferling auf uns gab.
Und ich sehe die Chance, dass wir uns inhaltlich wieder breiter aufstellen. Liebe Freunde, in den vergangenen Wochen und Monaten haben die Freien Demokraten nicht nur in Thüringen, sondern auch im Bund erwartungsgemäß gestritten, wer wohl die Schuld am Desaster erst in den Ländern und dann im Bund trug. Auf einmal kamen wieder die Bindestrich-Liberalismen. Angeblich Linksliberale wurden verpönt, die Niederlage verursacht zu haben, umgekehrt vermeintlich Wirtschaftsliberale. Dazwischen geisterten Begriffe herum wie Kernliberale und was sonst noch alles.
Liebe Freunde, wir sind Liberale. Und zum Kerngedanken des Liberalismus gehört Respekt vor anderen Gedanken, vor anderen Positionen. Liberale ringen auch in der eigenen Partei um Standpunkte, respektieren aber das Gegenüber und pflegen eine Streitkultur, die danach das berühmte, gemeinsame Bier oder einen gemeinsamen Kaffee zulässt. Und es gehört zu unserer DNA, dass bei uns Menschen ihren Platz finden, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Als Liberale wissen wir, dass eine funktionierende Wirtschaft die Grundlage für eine vitale Gesellschaft ist, dafür, dass wir das nötige Geld für Infrastruktur, Sicherheit, leistungsfähige Verwaltungen, Umweltschutz und vieles mehr haben. Wir wissen aber auch: Wirtschaftsliberalismus alleine wäre zu wenig. Liberalismus bedeutet, dass der Kompass der Freiheit steht. Bei uns engagieren sich genauso Menschen, die sich für Bürgerrechte und für Minderheiten einsetzen, Menschen, denen besonders ein schlanker Staat und Bürokratieabbau am Herzen liegen, Menschen, die Freiheit und den Schutz der Lebensgrundlagen miteinander in Einklang bringen, Menschen, die für eine vorwärts gewandte, leistungsfähige Bildung stehen, Menschen, die sich in der Kommunalpolitik für ihre Heimatorte und -regionen einsetzen, Menschen, denen der ländliche Raum besonders am Herzen liegt und viele andere mehr. Wir ringen im Respekt voreinander um unsere Standpunkte, ohne anderen ihre liberale Grundhaltung abzusprechen - auch wenn wir zu einzelnen Themen unterschiedliche Standpunkte vertreten. Als Liberale stehen wir in der Mitte der Gesellschaft, stehen für Vernunft und Streitkultur statt Polarisierung.
Liebe Freunde, im Augenblick stehen wir vor der Situation, dass die Landesgeschäftsstelle nach den Wahlergebnissen kein Personal mehr hat. Alles, was geschieht, geschieht ehrenamtlich, und wir sind dabei, Stück für Stück uns den Zugang zu Postfach, Mitgliederverwaltung und so weiter zu erschließen. Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, dass manches etwas länger braucht als sie gewöhnt sind, zumal auch ich mich beruflich verändert habe. Nachdem erst Gerald Ullrich und dann Robert-Martin Montag als stellvertretende Vorsitzende zurückgetreten sind, führe ich als stellvertretender Landesvorsitzender kommissarisch den Landesverband gemeinsam mit den verbliebenen Vorstandsmitgliedern bis zum Landesparteitag am 8. November in Probstzella. Telefonisch ist unsere Landesgeschäftsstelle leider zunächst bis auf weiteres nicht erreichbar. Anfragen und organisatorische Themen sendet bitte wie gewohnt an lgs-thueringen@fdp.de.
Am vergangenen Montag hatten wir eine gemeinsame Landesvorstandssitzung mit den Kreisvorsitzenden. Ich bin dankbar für die große Bereitschaft, sich einzubringen, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken. Vor allem bin ich dem Landesschatzmeister dankbar, der nicht nur die knappen Finanzen in gewohnt verantwortungsbewusstem Blick hat, sondern sich gerade sehr um administrative Dinge in der LGS kümmert. Auch Sie sind herzlich willkommen, wenn Sie anpacken wollen, vielleicht auch sich bei der Vorbereitung und Durchführung des Parteitags engagieren wollen: Wir brauchen Mitglieder für den Empfang, für die Zählkommission, für das Auf- und Abbauen, und ja, ich verschweige es nicht: Wir brauchen jetzt erst recht auch Spenden, die Sie gerne auf unser Konto IBAN DE77 1203 0000 1020 0301 83 bei der DKB Erfurt überweisen können.
Auf dem Landesparteitag wird es neben Zeit für die Aussprache vor allem um die Nachwahlen mindestens für den Vorsitz und die vakant gewordenen Stellvertreterstellen gehen. Nachdem aus einzelnen Kreisverbänden der Wunsch nach einem generellen "Neuanfang" für die FDP Thüringen geäußert wurde, haben wir im Landesvorstand auch darüber diskutiert, ob die verbliebenen Landesvorstandsmitglieder ebenfalls mit Wirkung zum Landesparteitag Ihren Rücktritt erklären werden. Die beiden verbliebenen Präsidiumsmitglieder haben hierzu ihre grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, um sich im Rahmen der Nachwahlen das Vertrauen der Delegierten erneut aussprechen zu lassen. In der Abwägung der unterschiedlichen Sichtweisen und Argumente werden die Beisitzer diese Entscheidung noch für sich persönlich treffen.
Wie auch immer, es bleibt spannend. Aber die Diskussionen der letzten Tage zeigen: Diejenigen, die zum wiederholten Male das Totenglöckchen über den Liberalen bimmeln lassen möchten, freuen sich zu früh: Gemeinsam packen wir an: Für die Freiheit, für unser Land. Jetzt erst recht.
Ihr Dirk Bergner
Kommissarischer Landesvorsitzender